Die Verschollenen / Os Desaparecidos

Eine Stückentwicklung frei nach Franz Kafkas „Der Verschollene“ (Amerika)


Kafkas unvollendetes Romanfragment „der Verschollene“ (oder „Amerika“) dient als Grundlage für eine Stückentwicklung, die als Kopdroduktion von O-Team mit Companhia de Teatro de Braga und Pathos München mit einer portugiesisch-mosambiquanisch-ukrainisch-deutschen Schauspiel-Besetzung in zwei Probenphasen in Deutschland und Portugal erarbeitet und gezeigt wurde. Die Geschichte des Antihelden Karl Roßmann vermischt sich mit theatralem und biographischem Material des internationalen Künstlerteams. Alltag, künstlerischer Schaffensprozess und die Endzeitvision eines Autors prallen aufeinander. Die daraus resultierende (künstlerische) Krise wird zum alles verschlingenden schwarzen Loch im Zentrum der Bühne.

Vertrieben worden sein heißt, die Wirklichkeit verloren zu haben. Dieser Vorgang hat strukturelle Folgen auf allen Gebieten. Es sind nicht nur die materiellen Dinge (das Zeug der Kultur), die sich revolutionär verändert haben, auch die ideellen Güter (Werte, Modelle, Ziele) sind unkenntlich geworden.” Vilem Flusser


Premiere: Oktober 2014, Schwere Reiter, München (Rodeo Festival München)

weitere Vorstellungen: Theater Rampe, Stuttgart. Theatro Circo, Braga, Almada, Ballhaus Ost, Berlin, Coimbra, Braga, Evora, Barcelos, Harare

mit Rogerio Boane, Frederico Bustorff, Folkert Dücker, Angelika Fink, Andrej Kritenko, Solange Sà

Samuel Hof (Regie) Katja Kettner (Dramaturgie, Produktion) Nina Malotta (Ausstattung) Tine Elbel (Produktion) Nils Meisel (Musik) Pedro W. Pinto (Sound/Video) Madlen Wüst-Pinto/Antonia Beermann (Regie-Assistenz) Markus Niessner (Grafik)


Eine Koproduktion von O-Team mit dem Pathos München und der Companhia de Teatro de Braga

gefördert durch den Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes, die Stadt Stuttgart und den Landesverband Freier Theater Baden-Württemberg e.V.; aus Mitteln der Spielstättenförderung des Pathos München, dem Bezirk Oberbayern, sowie Governo de Portugal, Secretário de Estado da Cultura, Direcção-Geral das Artes, Câmara Municipal de Braga.

Presse

Mehr…

mucbook.de, 12. Oktober 2014, von Alexander Brandl
Eigentlich, so heißt es im Begleitheft zum RODEO-Festival, wurde das Projekt „Die Verschollenen“ von den Theater-Jurorinnen abgelehnt. Begründung sei in erster Linie, dass die „Koproduktion zwischen Theatern aus Stuttgart, Portugal und dem Münchner PATHOS Theater nicht als repräsentativ für die Freie Münchner Szene“ gelte. Der Kurator des Festivals, Jonas Zipf, hat kurzerhand eine „White Card“ eingeführt, um sich über das Urteil der Jurorinnen hinwegzusetzen. Zu dem Vorgehen kann man geteilter Meinung sein. Bei der Begründung der Jurorinnen frage zumindest ich mich: Geht’s noch? […]
Ja, es geht ganz wunderbar. Weil kaum Münchner von der Partie waren, dafür viel Münchnerisches. Weltoffenheit, zum Beispiel, oder zumindest die Idee davon, nicht nur bei der Wiesn. Eine Bühne für politischen Diskurs zu bieten, nicht nur bei der Sicherheitskonferenz, ist münchnerisch im allerbesten Sinne.
Zwei kurzweilige Stunden lang zeigen die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler (+ 1 herziger Musiker) bittersüße Szenen, die inhaltlich und formal sehr originell von den (Des-)Illusionen des Aufbrechens/Ankommens erzählen. Man kann an Flüchtlinge denken, an die Bayernkaserne (knapp 6 km Luftlinie vom Schwere Reiter Theater entfernt), muss man aber nicht. Sowieso haben die Schauspielerinnen und Schauspieler aus Deutschland und Portugal, deren Biografien mit in das Stück verwoben wurden, ihre eigenen Geschichten zu erzählen.
Wasser in Flaschen, in Mülltonnen, in Erzählungen. Mal mit Fischen, mal ohne. Fast alle auf der Bühne arbeiten sich verzweifelt am Wasser ab. Der Atlantik fasst 354,7 Mio. km³ Wasser. Karl Roßmann, Protagonist in Kafkas Romanfragment „Der Verschollene“, auf dem der O-Team-Abend basiert, hat ihn mit dem Schiff überquert, das Ziel: New York. Statt in New York geht die internationale Theatertruppe in München-Neuhausen vor Anker. Ob sie hier willkommen ist? Die Premiere war zumindest ausverkauft. Vielleicht saßen auch ein paar Münchner im Publikum.
Die grandiose Koproduktion des O-Team mit dem PATHOS München und der Companhia de Teatro de Braga aus Portugal deckt eine Selbstverständlichkeit auf: München ist eine Weltstadt. Sie muss es nur noch begreifen.

Weniger…

Samuel Hof - Regisseur & Bühnenbildner